Text von Bilgin Ayata (Die Unmündigen) zur Initiative "Referendum Doppelte Staatsbürgerschaft" aus:

Der ASTArisk – Wochenzeitung des „asta“ der Universität Mannheim, 3. Mai 1993

Anfang dieses Jahres wurde in Berlin eine bundesweite Unterschriftenaktion gestartet, deren Ziel es ist, 1 Million Unterschriften für die doppelte Staatsbürgerschaft zu sammeln. Dieser überparteiliche Aufruf wird von zahlreichen Organisationen und Prominenten unterstützt: von Gustl Bayrhammer bis Konrad Weiß reicht das Spektrum der Erstunterzeichner. Die konkreten Forderungen des Referendums sehen folgendermaßen aus:

• Alle Menschen, die hier geboren sind oder sich fünf Jahre in Deutschland aufgehalten haben, sollen einen Rechtsanspruch auf unbürokratische Einbürgerung erhalten
• Die Einbürgerung in Deutschland soll nicht länger mit dem Zwang einhergehen, die alte Staatsbürgerschaft abgeben zu müssen.

Bisher wird die deutsche Staatsangehörigkeit durch den Artikel 116 GG geregelt; dieser Artikel stammt von 1913 und ist dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz entnommen. Mit diesem Artikel wird das Abstammungsprinzip festgelegt: Deutscher ist nur, wer deutsches Blut in den Adern fließen hat. Mit dieser Regelung steht Deutschland in Europa alleine da. In allen anderen Ländern Europas wurde das Abstammungsprinzip durch Elemente des Territorialprinzips ergänzt. Die doppelte Staatsbürgerschaft ist in Europa mit Ausnahme von Griechenland und Luxemburg erlaubt und selbstverständliches Recht.

Warum die Forderung nach Änderung des Artikels 116 GG und der doppelten Staatsbürgerschaft? Seit 1913 hat sich einiges geändert; in anbetracht Deutschlands als Einwanderungsland ist das Blutrecht längst überholt und wird den Ansprüchen einer demokratischen Republik nicht gerecht. Über die Hälfte der 6,4 Millionen EinwanderInnen sind seit 10-15 Jahren in Deutschland; ein Großteil ist sogar hier geboren. Sie wachsen zwischen zwei Kulturen auf und sind auch in beiden verwurzelt. Obwohl sie allen Pflichten unterliegen (Ausnahme: Wehrpflicht), haben sie nicht die gleichen Rechte. Es existiert zum Beispiel kein totaler Ausweisungsschutz, auch wenn sie im Besitz der Aufenthaltsberechtigung sind. Ferner gibt es Einschränkungen bei der Berufswahl: einige Berufe erfordern die deutsche Staatsangehörigkeit. Der wichtigste Aspekt betrifft das Wahlrecht: Über 6 Millionen Menschen wird das Wahlrecht verweigert, obwohl sie seit 30 Jahren diese Gesellschaft mitgestalten. Da man keinen Verlust von Wählerstimmen zu fürchten hat, kann man über diese Masse beliebig verfügen. Die doppelte Staatsbürgerschaft wäre ein Schritt, die Situation für die EinwanderInnen zu erleichtern. Diese Menschen sind weder Gäste noch Ausländer – sie leben hier und werden hier bleiben.

Über uns in den Medien